Motivschutz für Fotos?

Nicht selten hat man bei der Betrachtung von künstlerisch gestalteten Fotografien das Gefühl, ein ähnliches Bild schon mal gesehen zu haben. Keine Frage, auch erfolgreiche Fotografen lassen sich bei der Motivsuche gern mal von bereits vorhandenen Kunstwerken oder Fotografien anderer Fotografen inspirieren. Manchmal haben Fotografen aber auch einfach nur die gleiche Idee. Gibt es einen Motivschutz für Fotos? Wo liegen die Grenzen, wenn man sich als Fotograf von den Fotografien anderer Fotografen inspirieren lässt?

Im Prinzip sind „Doppelschöpfungen“ möglich. Davon spricht man, wenn zwei Fotografen ähnliche Bilder erschaffen, ohne dass den Fotografen das Bild des anderen bekannt ist. Die Gerichte sind sich dieser Möglichkeit bewusst, gehen aber davon aus, dass unter Fotografen jedenfalls Fotos von bekannteren Fotografen bekannt sind. Dabei lassen die Gerichte sogar eine unterbewusste Kenntnis ausreichen. Zudem zweifeln Gerichte gerne mal die Behauptung einer Doppelschöpfung an, wenn die Bilder sich in vielen Punkten ähneln. Derjenige, der sich auf eine Doppelschöpfung beruft, muss nachweisen, dass er zufällig die gleiche Idee hatte. Doch das ist nicht gerade einfach. Da die Gerichte auch eine unterbewusste Kenntnis ausreichen lassen, sind die Chancen, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass man nicht einmal unterbewusst von dem Original Kenntnis haben konnte, nahezu ausgeschlossen, jedenfalls wenn das Original vorher veröffentlicht wurde.

Aber selbst, wenn man sich als Fotograf von bereits bestehenden Werken inspirieren lässt, stellt das nicht gleich eine Urheberrechtsverletzung dar. Im Grunde kennt das deutsche Urheberrecht weder einen Ideen- noch einen Motivschutz. Niemand kann die Idee, eine Frau mit einer Hasenmaske und einer Zigarette in der Hand zu fotografieren, für sich monopolisieren, auch Helmut Newton nicht („Elsa Peretti in Bunny Costume“, 1975, Helmut Newton). Aber wenn die Pose, der Hintergrund, die Gestaltung von Licht und Schatten, die Komposition übernommen werden, wird es heikel. Das Gericht prüft in solchen Fällen, ob die Merkmale, die eine „persönlich geistige Schöpfung“ des Künstlers darstellen, also von ihm persönlich aufgrund seiner kreativen Leistung geschaffen wurden, übernommen wurden und wie stark sie verändert wurden. Wenn sich der Fotograf nur vom Motiv inspirieren lässt, aber ansonsten zum Beispiel eine ganz andere Pose für das Model, eine andere Komposition einfallen lässt, so liegt in der Regel keine Urheberrechtsverletzung vor. In dem Fall spricht man von einer „freien Benutzung“ (§ 24 UrhG)  der ursprünglichen Fotografie, quasi als Inspirationsquelle. Werden die schöpferischen Merkmale übernommen, ohne dass sich der Fotograf neue eigene Gestaltungsideen einfallen lässt, spricht man von einer „Bearbeitung“ oder „Umgestaltung“ (§ 23 UrhG) des Ursprungswerkes. Solche Werke dürfen nicht ohne Zustimmung des Fotografen, der die Ursprungsidee hatte, veröffentlicht werden.

Die Grenze ist fließend. Und an der Rechtsprechung lässt sich nicht immer eine klare Linie erkennen. Dennoch geht es im Prinzip immer um die Frage, was genau das Künstlerische, Eigentümliche oder Ungewöhnliche am Original ausmacht und auf die Leistung des Künstlers zurückzuführen ist und wie es übernommen wurde. So auch in dem Fall, in dem zwei Fotografien eine Frau zeigen, die sich einen Ventilator vor das Gesicht hält und bei der die Haare nach hinten geweht werden. Bei der älteren Fotografie werden die Haare nahezu waagerecht nach hinten geweht, während bei der „nachgestellten“ Version die Haare auf natürliche Weise vom Luftstrom des Ventilators erfasst und nach hinten geweht werden. Das Gericht sah in diesem Punkt einen wesentlichen Unterschied, der einen anderen Gesamteindruck hervorrufe. Das künstlerisch prägende Merkmal am älteren Werk sei vor allem in der Gestaltung der nahezu waagerechten Haare zu sehen (LG Bochum, Urteil vom 03.05.2012, Az: I 8 O 134/12).

Im Fall „Klammerpose“ ging das Gericht von einer Urheberrechtsverletzung aus (OLG Köln, Urteil vom 05.03.1999 – 6 U 189/97). Die Fotos, um die es hier ging, zeigen einen Mann von hinten, die Arme waagerecht ausgestreckt, der Kopf, die Arme und die Beine durch den Bildrand abgeschnitten. An ihn klammert sich eine Frau, die Arme um seine Taille und die Beine um seine Oberschenkel geschlungen. In einem Fall schaut die Frau links am Mann vorbei und direkt zum Betrachter, im anderen Fall rechts am Mann vorbei zum Betrachter.  Das Gericht sah in der Pose des Mannes, dem Bildausschnitt, insbesondere den abgeschnittenen Armen und dem abgeschnittenen Kopf sowie der ungewöhnlichen Pose der Frau prägende künstlerische Merkmale, die in dem zweiten Bild übernommen wurden. Die Unterschiede waren zu marginal. Der Fotograf, dem eine Nachahmung vorgeworfen wurde, hatte sich auf eine Doppelschöpfung berufen. Doch das Gericht ging hier von einer zumindest unbewussten Kenntnis aus und ließ dies für eine Urheberrechtsverletzung genügen.

Auch im Fall „TV-Mann“, bei dem der Hinterkopf eines Mannes vor seinem Fernseher so positioniert war, dass die Antennen des Fernsehers wie Fühler eines Insektes wirkten, sah das Gericht aufgrund der Übernahme der Positionierung des Fernsehers in einer Ecke, der Symmetrie des Fotos, der Kameraperspektive, der Ausrichtung der Antennen und sogar der grün gemusterten Tapete im Hintergrund eine Urheberrechtsverletzung an (LG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2006, 12 O 34/05).

Je weiter der Gestaltungsspielraum und je mehr der Fotograf diesen Gestaltungsspielraum auf eigentümliche Weise ausschöpft, desto größer ist der Schutzbereich. Dort wo der Gestaltungsspielraum naturgemäß nicht groß ist, weil das Motiv zum Beispiel mehr oder weniger von der Natur vorgegeben wird, desto kleiner ist der Schutzbereich. So zum Beispiel im Bereich der Aerial Photography – Fotos, die ganz bestimmte Ausschnitte der Natur aus der Vogelperspektive zeigen. Die von der Natur vorgegebenen Strukturen und Formen sind nicht schutzfähig. Allenfalls ein ganz ungewöhnlicher Ausschnitt, eine ungewöhnliche Bildbearbeitung oder vom Fotografen zusätzlich eingefügte Elemente oder bewusst gewählte Gestaltungsmittel, die das Bild prägen. Auch hier ist die entscheidende Frage: welche Stilmittel, die das Bild prägen, sind auf die schöpferische kreative Leistung des Fotografen zurückzuführen? Im Bereich der Aerial-Fotografie, bei der Luftaufnahmen von bestimmten Anbietern angeboten werden ist der Gestaltungsraum meist beschränkt. Der Schutzumfang ist dementsprechend geringer als bei Fotografien, die dem Fotografen einen weiten Gestaltungsspielraum einräumen. Auch ist hier die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen „Doppelschöpfung“ höher, weil das Motiv im Grunde vorgegeben wird.

Bitte beachten Sie, dass sich die Ausführungen nur auf die rechtliche Situation in Deutschland beziehen.

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