Urheberrecht: Darf ich für meine Musik fremde Musikelemente übernehmen?
Musik lebt von Inspiration und Imitation. Doch wie weit darf ich als Musiker Musikstücke kopieren bzw. sampeln, ohne dass eine Urheberrechtsverletzung vorliegt? Dieser Artikel soll einen Einblick über die Grenzen zulässiger freier Benutzung von Musikwerken vermitteln.
Wie Sie in Teil I der Serie bereits erfahren haben, kommt es für die Frage, ob Elemente aus einem urheberrechtlich geschützten Werk ohne Zustimmung des Urhebers übernommen werden dürfen, darauf an, ob man die Übernahme der Elemente bzw. die Änderungen des Originals als „freie Benutzung“ des Originals ansieht oder als dessen „Bearbeitung“ bzw. „Umgestaltung“.
Wann ist die Benutzung frei?
Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen fremde Musikwerke frei, d.h. ohne Erlaubnis des Urhebers, benutzt werden (sog. „Freie Benutzung“). Voraussetzung ist, dass ein eigenständiges neues Musikwerk entsteht und das Original nur als Anregung dient. Man spricht davon, dass die besonderen Merkmale, welche das Original ausmachen aufgrund der neuen eigenen kreativen Leistung „verblassen“. Je eigenartiger das Original, desto schwieriger wird es sein, diese Eigenart durch die eigene kreative Leistung in den Hintergrund treten zu lassen.
Bei der Musik gilt außerdem die Besonderheit, dass Melodien überhaupt nicht erkennbar übernommen werden dürfen (§24 Abs. 2 UrhG, sogenannter „starrer Melodienschutz“). Eine freie Benutzung ist also allenfalls von anderen Musikelementen wie z.B. Harmonie, Rhythmus, Instrumentierung, Sound und Textelementen möglich.
Wann liegt eine zustimmungspflichtige Bearbeitung vor?
Wird das urheberrechtlich geschützte Original nur so verändert, dass es im neu geschaffenen Werk noch klar erkennbar ist, liegt in der Regel eine Bearbeitung bzw. Umgestaltung vor. Die Bearbeitung kann dann ebenfalls urheberrechtlich geschützt sein. Will man die Bearbeitung veröffentlichen oder verwerten, benötigt man allerdings die Erlaubnis des Rechteinhabers.
Beispiele, bei denen eine Erlaubnis einzuholen ist
Bei einem Musikstück ist zum einen der Text und zum anderen die Musikkomposition jeweils eigenständig urheberrechtlich geschützt. Da die Werke in einem Song miteinander verbunden sind, spricht man von einem sogenannten verbundenen Werk. Bei einer Neuvertextung wird der Text durch einen eigenen Text ausgetauscht. Bei einer Neuvertonung wird die Musik austauscht. Bei einer Neuvertextung wird der Originaltext, bei einer Neuvertonung die Musikkomposition nicht benutzt bzw. bearbeitet. Trotzdem benötigt man in beiden Fällen die Zustimmung der Originalurheber (oder dessen Verleger), weil es sich um ein verbundenes Werk handelt, das nicht ohne Zustimmung aufgelöst werden darf.
Eine Übersetzung eines Songtextes ist immer eine zustimmungspflichtige Bearbeitung. Die Übersetzung ist als eigenständiges Werk urheberrechtlich geschützt. Die Erlaubnis zur Verwertung und Veröffentlichung ist beim Originalurheber (Songwriter, Texter) bzw. dem Verlag des Urhebers einzuholen.
Auch das neue Arrangement eines Musikwerkes ist eine zustimmungspflichtige Bearbeitung – oder, bei fehlender Schöpfungshöhe des Arrangements, eine Umgestaltung, die ebenfalls der Zustimmung des Rechteinhabers bedarf.
Eine Coverversion fällt unter die Verwertung des Originals, wenn sie möglichst genau kopiert wird. Die Rechte sind in dem Fall bei der GEMA einzuholen. Wenn allerdings die Coverversion das Original wesentlich ändert, liegt eine Bearbeitung vor. Die Zustimmung ist dann von dem Rechteinhaber einzuholen.
Beispiele, bei denen unter bestimmten Voraussetzungen eine freie Benutzung vorliegen kann
Die Übernahme von fremden Textelementen kann entweder eine freie Benutzung oder eine Bearbeitung bzw. Umgestaltung sein. Die Frage ist nur relevant, wenn die Textpassagen, die übernommen werden, überhaupt urheberrechtlich schutzfähig sind. Dies setzt eine gewisse kreative Leistung voraus, die sich vom Alltäglichen abhebt. Sind die Elemente schutzfähig, kommt es darauf an, ob diese aufgrund der eigenen kreativen Leistung im eigenen Werk „verblassen“ (dann freie Benutzung) oder nicht (dann zustimmungspflichtige Bearbeitung). Auch hier gilt, je geringer die kreative Leistung des Originals, also je gewöhnlicher das Original, desto geringer sind die Anforderungen an eine freie Benutzung.
Der Musiker und Komponist des Musikstücks „Brown Girl“(erschienen 1975 auf der Langspielplatte „Carribean Rock“), verklagte den Schallplattenproduzenten, Texter und Komponisten, der mit der Gruppe „Boney M.“ den Titel „Brown Girl in The Ring“ produzierte wegen Urheberrechtsverletzung.
In dem Fall hat sich das Gericht u.a. mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Übernahme bestimmter Textbestandteile eine Urheberrechtsverletzung darstellt.
Originaltext:
„Blue Hill water dry, No where to wash my clothes. Remember one Saturday night, Fryed (fried) Fish and Johnny cake. Bang, Bang, Bang Misauke.“
Neue Version:
„Old head water run dry. No where to wash my clothes. I remember one Saturday night we had fried fish and Johnny cakes. Dan-ge-dang, dang-a-dang.“ Das Gericht hat den Text an sich für eher banal und alltäglich gewertet und keine große kreative Leistung darin entdeckt. Das Gericht hat in der neuen Version eine freie Benutzung gesehen.
Das Gericht hat dazu ausgeführt, im Originaltext werde das tanzende Mädchen selbst nicht angesprochen. Eine persönliche Beziehung zwischen dem Mädchen und dem Sänger werde nicht hergestellt. Selbst aus dem Imperativ „remember“ sei ein „I remember“ geworden. Es werde keine gemeinsame Erinnerung des Mädchens und des Sängers heraufbeschworen, vielmehr werde allein die Erinnerung des Sängers ausgedrückt. Aus dem Wasser des blauen Hügels sei ein „old head water“ geworden. Da die identisch übernommenen Passagen aber für sich gesehen keine eigenschöpferischen Züge erkennen lassen, hat das Gericht darin keine Urheberrechtsverletzung gesehen.
Die Benutzung von Elementen aus urheberrechtlich geschützten Musikwerken ist zur Verwendung in einer Parodie zulässig, wenn eine deutliche inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Original vorliegt. Allerdings gilt auch das nicht für Melodien. Melodien dürfen auch nicht für Parodien benutzt werden
Bei wem hole ich die Erlaubnis für eine Bearbeitung ein?
An einem Musikwerk sind häufig eine Vielzahl von Personen und Unternehmen beteiligt, wie z.B. Komponisten, Texter, Übersetzer, Arrangeure, Interpreten, Studiomusiker, Dirigenten, Produzenten, Veranstalter und Sendeunternehmen. Je nachdem welche Rolle diese Personen oder Unternehmen bei dem Musikwerk spielen, entstehen entweder Urheberrechte oder Leistungsschutzrechte zugunsten der Personen.
Urheberrechtlich geschützt werden Werke.
Leistungsschutzrechte schützen bestimmte Leistungen, die künstlerisch, organisatorisch oder wirtschaftlich an der Form des Werkes beigetragen haben.
Die ausübenden Künstler, wie z.B. Sänger, Bandmitglieder aber auch Produzenten und die Schallplattenfirmen haben jeweils eigene Leistungsschutzrechte an dem Musikwerk. Die Leistungsschutzrechte werden z.T. auf die GVL (Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten) übertragen, die die Rechte für die Künstler wahrnimmt. Urheberrechte stehen dem Texter, Komponisten und dem Verlag zu. Die GEMA nimmt einen Großteil der Rechte der Urheber wahr.
Bei der Ermittlung der Rechteinhaber kann man sich in Bezug auf die Leistungsschutzrechte an die Plattenfirma und bezüglich der Urheberrechte an den Verlag oder die GEMA wenden. Die GEMA bietet außerdem in Bezug auf die Urheberrechte eine kostenfreie Online-Recherche unter www.gema.de/services an.
Fazit
Im Musikbereich ist eine Übernahme fremder Elemente bereits aufgrund des Melodienschutzes kaum möglich. Eine freie Benutzung kann angenommen werden, wenn Elemente wie z.B. Harmonie, Rhythmus, Instrumentierung, Sound und Textelementen als Anregung übernommen werden. Generell gilt, je origineller das Original, desto kreativer muss die eigene Leistung sein, damit eine freie Benutzung angenommen werden kann.